Werner Arndt

- Ausstellung vom 22. Januar bis 5. März 1967 -
Städtisches Museum Wiesbaden, Gemäldegalerie

Einführungstext von Museumsdirektor Clemens Weiler


Werner Arndt hat seine letzte Ausstellung 1953 gehabt. Seither hat er nicht mehr ausgestellt. Damals machte er Schlagzeilen. Bedeutende Kunstkritiker priesen ihn als die große Nachwuchshoffnung. Aber zugleich stempelten sie ihn auch ab, versahen ihn mit dem Etikett eines Beckmannachfolgers. Dadurch wurde Arndt so schockiert, daß er sich gänzlich zurückzog; er empfand, daß er seinen eigenen Stil noch nicht gefunden habe. Er wurde Bogenschütze und brachte es in dieser Sportart so weit, daß er an den Weltmeisterschaften teilnahm. Aber insgeheim ließ er sein ursprüngliches Ziel, die Kunst, nicht aus dem Auge. Unberührt von der Welle des Taschismus hielt er an dem Problem der Figur, der Frage nach dem Menschen und der Welt der Sichtbarkeit fest. Alles in ihm sträubte sich dagegen, Mensch und Ding surrealistisch zu verfremden, mit taschistischer Patina zu überziehen oder konstruktivistischen Netzen zu verschleiern. Immer stand vor ihm die Frage: ist der Gegenstand noch möglich? Aus innerer Notwendigkeit mußte die Antwort für ihn lauten: ja. Aber dazu waren neue Stilmittel, neue Techniken und Stoffe nötig. Arndt machte sich die Erfahrungen der Kubisten zunutze und zerstückelte den Gegenstand, um ihn neu zu erbauen. Man denkt an den alten Mythos des Dionysos Zagreus. Den Halt in dieser gefährlichen Entwicklungskrise fand Arndt in dem unverbrüchlichen Festhalten an den ihm gemäßen Urformen: den muschelförmig sich schneidenden Kreisen und den strengen balkenartigen Vertikalen. Früheste Kindheitserlebnisse aus seiner Heimat von Booten und Muscheln am Strand und von dunkel aufragenden Buhnen mögen im Unterbewußtsein wirksam geblieben sein. Dieses maritime Element spielt auch in Arndts neuen Arbeiten eine herrschende Rolle: Muscheln, Netze, Korkstücke, Glaskugeln und angeschwemmtes Holz, aber auch ihre Negativform en, wie sie ihr Abdruck im Sand zurückläßt. Diese Welt des Strandes, ein Grenzgebiet in ursprünglicher Bedeutung, ist es, die Arndt immer wieder fasziniert. Dort steht der Mensch, allein. Es ist die gleiche Welt, die C. D. Friedrich und Feininger so beeindruckt hat. Aber Arndt spricht als Künstler unserer Zeit eine härtere Sprache als der empfindsame Romantiker und der subtile Expressionist. Arndt bringt seine "Urgegenstände" selbst ins Bild: die Körbe, die Netze, die Glaskugeln und die Balken, aber sie werden bei ihm nicht zur willkürlichen Assemblage gehäuft, sondern müssen sich einer kraftvollen, manchmal brutalen, Komposition unterordnen. Aber diese Naturgegenstände werden durch völlig anderseitige und neue Materialien, wie sie die moderne Technik bietet, ergänzt. Arndt entdeckte für sich das Styropor als tragenden Stoff, der gebrannt, geätzt, gesägt, geraspelt und bemalt wird und dadurch nicht als Kunststoff in Erscheinung tritt. Seit einem Jahr ist in Arndts Arbeiten zu dem Styropor noch flüssiges Kunstharz getreten, das mit seinem glasigen, emaillehaft harten Glanz den Kontrast zu den organischen Objekten bildet. Man wird bei einem Gang durch die Ausstellung Zeuge eines gewaltigen Ringens, das unerbittlich an seinem Ziel festhält. Als Beispiel für die innere Konsequenz, mit der sich hier ein künstlerisches Werk entfaltet, dient als Ausgangs- und Anknüpfungspunkt an Arndts frühere Schaffensperiode das Bild der "Bäume am Hang" von 1953, das alle später zur Entfaltung gekommenen Stilelemente schon in sich trägt: die dunklen Balken der Bäume, die muschelartigen Formen, die emaillehafte Farbe. Das große Triptychon erscheint als die Zusammenfassung aller vorangegangenen Strandbilder und wirkt wie die Verherrlichung der Gewalt des Meeres. In dem mächtigen Bild der großen sich schneidenden schwarzen Hölzer scheint sich die dem Element entgegen gesetzte Kraft des Menschen zu verkörpern. Mit diesen beiden Bildern hat die Entwicklung des Künstlers einen Höhepunkt erreicht. Die Grenzen sind abgesteckt. Die danach entstandenen Bilder markieren eine neue Position gelassener Souveränität. Es wird schwer fallen, die Kunst von Arndt einzuordnen und zu rubrizieren. Am ehesten wird man ihn ähnlich wie Grieshaber als einen legitimen Fortsetzer des deutschen Expressionismus bezeichnen dürfen, aber eines Expressionismus, der frei ist von allem pathetischen Verkündigungsanspruch. Man wird sicher in Zukunft noch manche Bilder von Arndt sehen, aber bestimmt nicht viele, denn dazu macht er es sich nicht leicht genug.

Clemens Weiler