Freie Gruppe Hofheim-Frankfurt
Ausstellung 1973 im Städt. Museum Wiesbaden


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Katalog (Auszug)


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Ausgestellte Arbeiten von WERNER ARNDT

1. "Terrare Variation mit gemaltem Himmel", 1970, Maße: 175 x 120 cm, Epoxydharz

2. "Sitzende", 1972, Maße: 200 x 120 cm, Polyester

3. "Bild mit figürlichem Fragment", 1972, Maße: 140 x 105 cm, Polyester

4. "Frau vor dem Spiegel", 1972, Maße: 165 x 140 cm, Polyester

5. "Figur im Sessel (Frau im Fledermausstuhl)", 1972/73, Höhe 95 cm, Polyester


1. "Terrare Variation mit gemaltem Himmel"


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2. "Sitzende"


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3. "Bild mit figürlichem Fragment"


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4. "Frau vor dem Spiegel"


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5. "Figur im Sessel (Frau im Fledermausstuhl)"


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Kritik vom Wiesbadener Kurier

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Gleich zwei neue Ausstellungen gibt es
jetzt im Wiesbadener Museum. Die
Gemäldegalerie selbst zeigt Blätter
aus ihren graphischen Beständen, und der
Nassauische Kunstverein Werke der
"Freien Gruppe Hofheim-Frankfurt". Um
bei dieser zu bleiben: sie ist von der vori-
gen Ausstellung her noch in guter Erinne-
rung, mit den farbigen Licht-Spielen da-
mals, überhaupt experimentellen Objek-
ten, aber auch konventionellen Bildern
und Plastiken. Und man staunt, daß das
schon vor sechs Jahren war, so präsent
ist das noch, bei so vielem anderen inzwi-
schen. Aber auch die jetzige Ausstellung
ist gleichermaßen frisch und lebendig. Des
Rätsels Lösung: es handelt sich tatsäch-
lich um eine "Freie Gruppe", die sich da
um die Frankfurter Galeristin Hanna
Bekker vom Rath bildete. Frei in dem
Sinne, daß die Mitglieder nicht auf eine
einheitliche Stilrichtung verpflichtet sind,
und insbesondere darin, daß die Gruppe
immer neue interessante Gäste hinzuzieht,
also von Inzucht jeder Art verschont
bleibt. Zu ihrem zehnjährigen Jubiläum
gastiert sie nun abermals in Wiesbaden,
mit bekannten Gesichtern, und mit neuen.

Das Stichwort ihrer diesmaligen Gegen-
wärtigkeit heißt: Material. Gleich im
Oktogon führt Eugen Mahler, hauptbe-
ruflich Arzt, eine Sammlung davon vor,
ein großes doppelseitiges Triptychon aus
zivilisatorischem Kleingerümpel in der
Mitten (alte Turnschuhe, Spielzeug,
Flaschenkorken etc.) sowie rechts und
links ,natürlichen Müll", wie Nußschalen,
Gräser, Holz. Ein Hauch von Beuys also,
und die geistliche Form provozierend pro-
faniert; aber in der Anordnung, bis ins
kleinste Detail, ausgesprochen schön. Wo-
mit Kunst ja auch zu tun hat. Im Prin-
zip nicht anders, nur mit großflächig dra-
pierter feiner Stahlwolle, die wie Filz aus-
sieht, arbeitet Dieter Gutt, wobei ihm
schön geschwungene Formen und dezente
farbliche Effekte gelingen, auch eine
glänzende serielle Montage aus Messing-
Teilen.

In jeder Weise, auch im Künstlerischen,
fallen die Figuren des Frankfurters Wer-
ner Arndt auf. Sie basieren auf dem neu-
en plastischen Realismus, wie ihn etwa
Duane Hanson auf der documenta zeigte,
aber eine Kasseler Gruppe auch schon in
Wiesbaden. Nur führt Arndt diese ,echten"
Plastiken wieder in die früheren forma-
len und geistigen Vorstellungen zurück;
läßt sie nicht einfach für sich sprechen,
sondern deformiert sie zu Bildern der
Zerstörung. Eine weibliche Figur, ohne
Kopf, sitzt vor einem halb

Museum

Spektrum
der Gegenwart

Freie Gruppe Hofheim
und eigene Graphik

Aussage: von der Scheinhaftigkeit des
lntakten.

Sehr viel spielerischer geht es dann bei
Heinz Diekmann zu, wenn auch seine
Wollsäulen ("kombinierte Textiltechnik)
Stelen heißen; nur leider stehen diese ori-
ginellen Gebilde ziemlich unglücklich in
der eingerüsteten Ecke, die Wirkung aus
der Anordnung fehlt. In den Raum geht
auch Dieter Mulch, freilich innerhalb
eines plastischen Bildes. Er zeichnet auf
Papierreliefs in Rahmenkästen und nennt
diese Pyramidenstümpfe. Das wirkt vor
allem durch die saubere Akkuratesse, Grau
auf Weiß, und durch raffinierte Spiele mit
der Tiefe, bei einer winzigen Schießscharte
oder einer Kugelspur, mit richtigen Ein-
schüssen ins Plastische, und daneben nur
Schatten. Unter den ,normalen" Bildern
ist die Israel-Reihe von Hermann Haindl
sehr bemerkenswert, alttestamentarische
Reminiszenzen verbinden sich hier mit
surrealistischer Magie, mit wallenden Ge-
wändern und bombastischen Faltenwür-
fen, alles in Weiß und Sepia; und rätsel-
haft banale Texte in altertümelnder
Schrift amchen gleich wieder einen Strich
durch die schöne Rechnung.

------------------------------------------- Durchblicke -------------------------------------------

Geradezu gelassen, so kommt es einem
vor, sieht der ,Kern" der Gruppe zu, wie
die Gäste ihm die Schau nehmen. Seine
Stunde kommt mit der näheren Betrach-
tung. Johannes Schreiter, der Meister des
Glasfensters, zeigt eine Reihe von Sieb-
drucken, die das Motiv des Durchblicks
variieren. Karl Degener konfrontiert mit
jenen Apparaturen, die den heutigen
Menschen in vielfacher Weise bedrängen,
ebenso wie Ursula Dittmann, der diese
Technik zu bedrohlichen Symbolfiguren
gerinnt. Thomas Bayrle und Bernhard
Jäger, mit ihren Multiplikationen bzw.
Blicken in das Innere des Menschen sind
freilich hinreichend bekannt, hier ist
Neues auch kaum hinzugekommen. Aber
von Georg Dickenberger gibt es, inmitten
schwarz-weißer Landschaften, ein ganz
reizvolles kleines Acryl-Bild "Kosmisch",
regelrechtes abstraktes Rokoko; von
Astrid Lincke-Zukunft jene klinische
Kühle wie bei der Gruppe Zebra, nur noch
eine Spur kritischer, und zum guten
Schluß von Friedel Schulz-Dehnhardt
eine Serie blühender Landschaften, hinter

Plexiglas, hart am Kitsch vorbei, aber
herzlich erfrischend. Ein interessanter
Ausschnitt aus dem Spektrum der Gegen-
wartskunst? Ganz sicher.
Damit zur Ausstellung ,nebenan". Wer
könnte sichs verkneifen, da den Kerr"-
schen Spruch von seiner Tante zu variie-
ren: wenn dem Museum nichts mehr ein-
fällt, dann fällt ihm seine Graphik ein.
Für diesmal aber wäre das gewiß unge-
recht: gerade ist es von einer Hand in die
andere gegangen, ein geradezu idealer
Zeitpunkt, einmal zu zeigen, was vorher
gesammelt werden konnte, was fehlt und
wo man weitermachen muß. Wobei gerade
für ein Museum wie Wiesbaden die Gra-
phik die einizige reelle Chance bietet, die
neue Kunst auf halbwegs breitem Raum
zu präsentieren. Was nun in Wiesbaden
gesammelt wurde, das darf sich in jeder
Weise sehen lassen, nicht allein, was die
Künstler betrifft, sondern auch die Quali-
tät der einzelnen Blätter. Es ist, als habe
eine Galerie von vielen hervorragenden
Ausstellungen jeweils ein besonders gutes
Werk dabehalten können. Das reicht in
dieser Ausstellung vom Expressionismus
bis zur Gegenwart. Diese Folge, vorwie-
gend deutsche Künstler, ist wie ein aufge-
schlagenes Lehrbuch. Nur leider wird sie
in diesem Sinne nicht genutzt. Mit den
entsprechenden Erläuterungen versehen,
könnte sie Begriffe klären, Verbindungs-
linien aufzeigen; allenfalls, daß hier Füh-
rungen einspringen.
Wo anfangen? Zeitlich gesehen, ver-
läuft sie in den extra-Räumen von hinten
nach vorn. Im älteren Teil gibt es vor
allem eine Reihe hervorragender Selbst-
bildnisse. die allemal nicht nur zur darge-
stellten Person, sondern auch zur Zeit
etwas aussagen. Von 1920 ein unsagbar
fragendes von Otto Ritschl. Andere sind
von Kokoschka, Barlach, Beckmann und
Käte Kollwitz, mit einem wunderbaren,
prüfend durch den Betrachter hindurchge-
henden Blick. Dann gibt es zwei Köpfe
von Jawlensky (an dessen gemaltes Selbst-
bildnis auch einmal wieder erinnert wer-
den darf, es ist bekanntlich ausgestellt).
Aber hier: ein leidvoll geneigtes Gesicht,
und daneben eine jener verschlossenen,
starren und doch so sprechenden ,Mas-
ken" aus wenigen Strichen. Und weiter:
Kandinsky, Klee, ja zweimal zwei Fauns-
köpfe von Picasso persönlich, Heckel auch,
Schmidt-Rottluff, und z. B. einen Farb-
holzschnitt Nays von 1952, mit einer er-
staunlichen Gegenwärtigkeit der expres-
sionistischen Formen, dem besonderen
"Look" eines expressionistischen Vierecks,
nur gedacht, nicht gemacht. Zu solchen
"Entdeckungen" ist hier Material genug
vorhanden. Mittlerweile sind wir auch
schon nach dem 2. Weltkrieg (die große
Lücke wird einem jedesmal bewußt), bei
der Quadriga-Gruppe, den deutschen Ta-
chisten, und in der Gegenwart, ob sie nun
Trökes, Antes, Gaul, Hajek, Berges oder
Genkinger, Böttger, Wolf Vostell, Otmar
Alt heißt. Eine sehenswerte Sammlung,
und eine lehrreiche!              us


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